Europameisterschaften in Hamburg: Rugby soll raus aus der Komfortzone
Bei der EM im schnellen Format „Rugby 7s“ haben die deutschen Frauen und Männer mit dem Titel nichts zu tun. Aber es gibt große Pläne.

Was für die einen wie der ideale, gemütliche Ort für die Rugby-Gemeinschaft wirkt, ist anderen zu klein geworden. In der Rugby-Familie beliebt und honoriert, peilt Steffen Große den nächsten Schritt an und stellt sich dieses Turnier in einem opulenteren Stadion vor. „Wir brauchen mehr Sichtbarkeit und müssen größer denken“, sagt Große. Er ist der neue Sportdirektor von „Rugby Deutschland“.
Von Rugby am Millerntor im Rahmen der Hamburg 7s ist schon seit ein paar Jahren die Rede. Die Verträge laufen bis 2028. Fraglich, ob es den Umzug ins Stadion des FC St. Pauli bis dahin geben wird. Ein Titelsponsor könnte das ermöglichen. Von Seiten des Weltverbandes „World Rugby“ soll es zudem Interesse an der Austragung eines Weltserienturniers der ersten Kategorie in Deutschland geben. Große könnte sich so etwas in Köln oder Düsseldorf vorstellen.
Wer am Sonntag schon vormittags um 10.14 Uhr ran muss, hat irgend etwas falsch gemacht. Bei den deutschen Herren in der olympischen Siebener-Variante begann das Unheil schon im ersten Spiel der Hamburg 7s: Als das „Wolfspack“ genannte Team am Freitag überraschend Tschechien mit 7:19 unterlag, war der Weg ins erhoffte Halbfinale weit geworden. „Wir haben am Freitag einfach kacke gespielt“, sagte Linksaußen Bennet Veil am Sonntagvormittag – da hatten die besten deutschen Rugbyspieler gerade denselben Gegner mit 26:12 bezwungen.
Sieg gegen Tschechien erst im zweiten Anlauf
„Völlig losgelöst“ dröhnte aus den Lautsprechern, die 2.500 Menschen johlten und die Gesichter wirkten zufriedener als noch am Tag zuvor: Da waren die Deutschen von Trainer Clemens von Grumbkow zweimal Spanien unterlegen; erst im letzten Gruppenspiel mit 12:26, dann im begeisternden Viertelfinale 12:14. Spanien gilt in der schnellen, actionreichen Rugby-Variante als das Maß der Dinge in Europa – nach zweimal sieben Minuten ist alles vorbei. Aus der Niederlage in der Runde der letzten Acht ergab sich für das „Wolfspack“ die frühe Spielzeit gegen Tschechien. Am Nachmittag sicherten die deutschen Männer sich gegen Belgien immerhin noch Platz fünf.
Bei den deutschen Frauen lief es schon am Freitag in der Vorrunde besser: mit einem Sieg gegen die favorisierten und in der Europa-Rangliste an eins liegenden Französinnen – denen das Team um die Hamburgerin Mette Zimmat dann aber im Viertelfinale am Samstag 19:31 unterlag. Durch einen Sieg und eine Niederlage am Sonntag zum Turnierabschluss kam die Gruppe von Trainer Curtis Bradford auf Rang sechs des Hamburger Teils der Europameisterschaft. Beim ersten Teil im kroatischen Markarska war sie Achter geworden. Eine Steigerung, die die neuformierten Männer verpassten.
„Wir sind mit den Resultaten nicht zufrieden“, sagt deren Coach Clemens von Grumbkow, „aber wir haben hier eine im Schnitt 22 Jahre junge Mannschaft, die gegen gute Gegner Erfahrung sammeln soll.“ Von Grumbkows Fünf ist etwas anders besetzt als die, die im Mai in Los Angeles überraschend den Aufstieg in die Weltliga schaffte, die höchste Staffel mit allen großen Gegnern. Leider allerdings hat der Weltverband die Weltserie von 2026 an in zwei Ligen aufgeteilt und „Rugby Deutschland“ hat seinen Startplatz in der Abteilung zwei. Start im Januar. Dann könnte über eine mehrstufige Auswahl der Aufstieg in die „echte“ Weltserie beginnen.
Die mögliche Beute hängt dem „Wolfsrudel“ also vor der Nase. Doch von Grumbkow weiß, wie weit der Weg ist: „Verglichen mit den Top-Teams fehlt uns die Tiefe im Kader. Unsere Mannschaft steht eigentlich immer schon fest, wir haben wenig Konkurrenzkampf im Training. Niemand muss um seine Position kämpfen.“ Nur 15 geeignete Spieler hat von Grumbkow. Er hätte gern 22 oder mehr.
Clemens von Grumbkow, Trainer
Dem neuen Sportdirektor von „Rugby Deutschland“, Steffen Große, schwebt vor, hinter jedem Topspieler einen gleichwertigen Ersatz zu haben, bei den Männern wie bei den Frauen. Das sei neben dem internen Wettbewerb auch aus einem anderen Grund wichtig: „Unsere Teams spielen wegen Verletzungen selten in der besten Besetzung“, sagt er, „deswegen wäre es umso wichtiger, auf Ausfälle reagieren zu können.“
Von Grumbkow sagt, das Ziel sei, aus der U18 verletzungsbedingte Ausfälle zu kompensieren oder solche Lücken zu stopfen, die entstehen, wenn einer wie Bastian van der Bosch aus Heidelberg aufhört – er beendete seine Nationalmannschaftskarriere am Sonntag.
Trotz aller Schwierigkeiten eines kleinen Verbandes sehen die Verantwortlichen Chancen für den Aufstieg in die erste Weltliga und die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles: „Aber ohne Konkurrenzkampf ist das utopisch“, sagt Nationalcoach von Grumbkow. Was ihn hoffen lässt, ist der Aufstieg in die zweite Staffel der Weltliga und damit verbundene starke Gegner.
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